Vom Elsass nach Ohio: Familie Augspurger

Am 06.05.2024 berichtete Anne Schmidt-Lange im Zoom des Mennonitischen Geschichtsvereins für mennonitische Familienforschung über ihre amische Familie Augspurger, die im 19. Jahrhundert nach Ohio auswanderte. Anne Augspurger ist in Kansas City in Ohio, USA, geboren als Tochter eines Vaters aus einer amischen Gemeinde im Südosten Iowas. Als ihr Großvater in der Weltwirtschaftskrise seinen Hof verlor, fehlten ihm Pferde und Wagen, um die verstreuten Versammlungsorte zu erreichen. Am neuen Wohnort schloss er sich mit seiner Familie der örtlichen Methodistengemeinde an.

Über die Herkunft der Familie war außer einem Stichwort Markirch wenig bekannt. Anne Augspurger heiratete in USA Soenke Schmidt-Lange, einen Pfarrer der Hanoveranischen Lutherischen Kirche. Ab 1971 lebten sie 10 Jahre in Deutschland, ihre drei Kinder sind da geboren. Zwischen den folgenden Einsätzen in Nordamerika gab es immer wieder Heimaturlaube, die Anne auf Wunsch ihrer Familie auch zur Erforschung ihrer Familie Augspurger nutzte. 1987 begann sie, in der Gegend von Markirch zu forschen, bald zusammen mit einer Forschungspartnerin, Neil Ann Stuckey Levine. Mit ihr hat sie Hermann Guths Buch über die Amischen in Deutschland in Englisch herausgegeben.

Annes Vorfahre Christian Augspuger (1782-1848) heiratete Catharine Hauter (1787-1847). Er stammt von einem Nikolaus Augspurger ab, der aus der Gegend von Konolfingen im Kanton Bern ins Elsass in die Gegend um Markirch (St. Marie aux Mines) zog und ein Mitarbeiter von Jakob Amann war. Er begleitete Jakob Amann auf seinen Reisen zwischen Markirch und der Schweiz. Christian Augspurger zog nach Ixheim bei Zweibrücken in der Pfalz und heiratete dort 1805 Catharine Hauter, die Tochter von Andreas Hauter oo Katharina Imhof auf der Ixheimer Mühle. Die amische Gemeinde in Ixheim war um 1937 die letzte in Deutschland, die sich auflöste und mit der mennonitischen Gemeinde vereinigte. Bis 1809 wohnte das junge Paar in Ixheim, wo zwei Kinder geboren wurden. Dann zog es in die Nähe von Strasbourg auf das riesige Gut Meinau, ein Prachtanwesen, das Charles-Louis Schulmeister, ein später berühmt gewordener Spion Napoleons, errichten ließ. Heute ist dort ein Fußballstadion. Christian Auspurger sollte den landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen und aufbauern. 1813 wurde nachweislich auf dem Hof ein Kind geboren. Wie kam Schulmeister darauf, einen amischen Augspurger aus der Gegend von Markirch als Pächter anzustellen? Schulmeisters Frau stammte aus einer reichen Minenbesitzerfamilie in Markirch. Die kannte verschiedene Augspurger Pächter auf großen Höfen der Umgebung. Vermutlich entstand die Verbindung darüber. Christian zeigte sich außergewöhnlich vielseitig und tüchtig. Weitere Güter von Schulmeister wurden mit Augspurger Pächtern besetzt. 1815 aber endete die napoleonische Zeit, damit auch Schulmeisters große Zeit und Christian Augspurgers Perspektive auf dem Gut Meinau. 1817 wanderte Christian nach Ohio aus, mitsamt seiner Familie und den Familien seines Bruders Joseph und seines Cousins 2. Grades Jacob Augspurger. In der Schiffsliste finden sich zwei Hausangestellte ohne Namen. Vielleicht waren es Menschen, die er im Auftrag von Schulmeister in Sicherheit bringen sollte. Jedenfalls kaufte er großen Grundbesitz und baute ein großes Haus in einer sehr abgelegenen Gegend in Butler County, Ohio – und kehrte dann samt seiner Familie 1818 zurück nach Strasbourg. Er habe seine Freunde in Europa vermisst, hat seine Tochter überliefert. Im folgenden Jahr 1819 zog er erneut nach Ohio, nicht nur mit seiner eigenen Familie, sondern mit weiteren amischen Familien, die dort siedeln wollten und eine amische Gemeinde gründeten. Christian Augspurger brachte einen Orden über seine Verdienste in der Landwirtschaft mit, anscheinend vom König verliehen. Die Familie rätselt, ob er echt war oder eine Fälschung, die Schulmeister ihm mitgab, um ihn zu schützen.

Christian Augspurger hat noch zwei weitere große Häuser in Butler County gebaut. Er war auch in Ohio erfolgreich in der Landwirtschaft. Von seinen 12 Kindern, die erwachsen wurden, hat er jedem einen großen Hof mit Haus mitgegeben. Anne Schmidt-Lange zeigte Fotos von einigen erhaltenen frühen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden der Augspurgers. Der Sohn Samuel betrieb eine große Sägemühle. Der Hof Chrisholm ist als Museum eingerichtet, wo sich die Augspurgers zu Familientreffen zusammenfinden. Dort wird über weitere Nachkommen Christians informiert. John  Augspurger (1819-1898), der auf einem Boot auf dem Ohio-Fluss zur Welt kam, war ein Erfinder landwirtschaftlicher Einrichtungen und Maschinen wie Säh- und Erntemaschinen und erhielt Patente dafür. Christian Augspurgers Enkelin Otelia (1859-1949) heiratete Elias Compton, einen Professor für Philosophie am Wooster College. Ihre Kinder waren: Karl Taylor Compton, Wissenschaftler und Präsident des Massachusett Institue of Technology. Arthur Holly Compton, Kanzler der Universität Washington in St. Louis, der 1927 den Nobel-Preis für Phyik erhielt. Wilson Martindale Compton, Präsident des Washington State College in Pullman, Washington, und Mitglied der US-Delegation der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Mary Compton Rice, die für viele Jahre als Missionarin in Indien arbeitete. Otelia selbst studierte und verdiente ihren Unterhalt dafür durch harte Arbeit, setzte sich für Bildung ein, erhielt 1933 die Ehrendoktorwürde für Jura vom Western College für Frauen in Oxford, Ohio, und wurde 1939 von der Golden Rule Foundation zur „Amerikanischen Mutter des Jahres“ gewählt. Ein Urenkel Christians war Charles F. Richter (1904-1994), der die Richterskala zur Messung von Erdbebenstärken entwickelte.

Annes Vorfahr, Christians Sohn Christian Augspurger, geb. 1813, starb sehr früh an Typhus. Seine Witwe Magdalena Rees zog die drei Kinder auf , von denen das kleinste erst drei Wochen alt war, und bewirtschaftete den Hof acht Jahre. Nach dem Tod der Schwiegereltern kaufte sie aus deren Erbe und dem Erlös für sie Land in Iowa und zog mit den Kindern dorthin in die Nähe ihres Bruders, 650 km weit mit Kutsche und Wagen. Zwei Kinder Christian und Anne reisten zurück nach Ohio, um sich dort in der Amisch-Gemeinde unterweisen und taufen zu lassen. Von diesen beiden gibt es ein Foto. Dieser Christian ist Annes Urgroßvater. Er fuhr als 13jähriger die Kutsche. Die Schwester Anne heiratete später einen Schwarzentruber. Christian starb an einer infizierten Verletzung. Es gibt ein Foto seiner Witwe mit fünf Kindern, das jüngste, Ed Augspurger ist Annes Vater.

Es entspann sich ein lebhafter Austausch zu dieser außergewöhnlichen und spannend vorgetragenen Familiengeschichte und zu den Verwandtschaften zwischen der ausgewanderten Augspurger Familie und den in Deutschland verbliebenen Zweigen.

Der nächste Termin ist am 03.06.2024 mit Iris Merkel, die schon mehrfach zu den landwirtschaftichen Pionieren der Familie Möllinger und deren Wirkungsorten in Kriegsheim und Monsheim präsentiert hat. Ebenfalls weithin berühmt wurden zwei weitere Brüder von David und Martin, die Uhrmacher Jakob und Joseph Möllinger, deren Geschichte Iris Merkel berichten wird.

Wie immer von 19:30 – 21 Uhr, Einwahl über

https://www.mennonitischer-geschichtsverein.de/mennonitische-familienforschung-per-zoom/