Werner Reichart beleuchtet das Leben von Samuel Fröhlich
Die Zoom-Gruppe zur Mennonitischen Familienforschung hatte am Montag, dem 2. Dezember 2024, einen besonderen Vortrag von Werner Reichart über Samuel Fröhlich (1803 Brugg, Aargau – 1857 Strasbourg, Elsass), den Begründer der Neutäufer / Fröhlichianer / Nazarener. Mitte des 19. Jahrhunderts missionierte er im süddeutschen Raum und zog viele Mennoniten in seine Nachfolge, unter anderem Schmutz, Bär, Binkele, Hörr, Eschelmann, Fellmann, Schenk, Schneider, Kaufmann. Die evangelischen Täufergemeinden ETG und die wenig bekannten Altmennoniten gehen auf ihn zurück.
Werner Reichart lebt im Dorf Dürrenäsch, das zur Kirchgemeinde Leutwil-Dürrenäsch im Kanton Aargau gehört, wo Samuel Fröhlich 1828 zum Pfarrvikar an der reformierten Kirche berufen wurde. Das Kirchenarchiv von Leutwil und viele weitere Quellen untersuchte Werner Reichart. Er empfand es eigentlich als Anmaßung, das unglaublich bewegte und reichhaltige Leben von Samuel Fröhlich und seine Auswirkungen in einer Stunde darstellen zu wollen. Es ist ihm gelungen.
Geboren ist Werner Reichart in Schwäbisch Hall, wo sein Vater Prediger einer pietistischen Gemeinschaft war, die aus einer Zeltevangelisation nach dem 1. Weltkrieg entstanden war. Als sein jüngster Onkel das Predigerseminar auf St. Chrischona (https://www.relinfo.ch/chrischona/info.html) bei Basel besuchte, schickte die besorgte Großmutter ihre ältere Tochter Anna Reichart als Köchin nach St. Chrischona. Der zu St. Chrischona gehörige Landwirtschaftsbetrieb wurde von einem Mennoniten Peter Nussbaumer geleitet. Als seine Frau gestorben war, heiratete Anna Reichart den Witwer mit drei Kindern. Eines davon, Dorli Nussbaumer, wurde Werner Reicharts erste Frau. Nach ihrem Tod heiratete er Dorlis Cousine Elianne Nussbaumer aus dem Elsass. So ist Werner Reichart mit den Mennoniten verbunden.
Samuel Heinrich Fröhlich ist am 4. Juli 1803 in Brugg im Aargau geboren. Sein Vater führte eine Gerberei und war Sigrist (Mesner). Die Familie ist seit Jahrhunderten in Brugg ansässig, kam davor aus Frankreich, stammt aber nicht von Hugenotten ab, wie manchmal behauptet wird. Samuel studierte reformierte Theologie in Basel, wo ihm die damalige liberale Theologie ein unbeschwertes und ungezügeltes Leben erlaubte. 22jährig erlebte er 1825 eine Bekehrung. 1827 bestand er das zweite Examen, aber wurde ermahnt, seine mystischen Neigungen zu zügeln. 1828 bis 1830 war er Pfarrverweser in der Gemeinde Leutwil im Aargau. Zu seiner ersten Predigt sollen nur vier Besucher gekommen sein, zu seiner letzten standen die Hörer bis außerhalb der überfüllten Kirche. Im Oktober 1930 wurde er abgesetzt, weil er die neue Kirchenordnung nicht einführen wollte. 1831 stellte ihn die Continental Society aus London an, eine Gesellschaft, die plante, Mitteleuropa zu missionieren. 1832 empfing er in Genf die Glaubenstaufe durch Ami Bost. Am Palmsonntag 1832 taufte er in Privaträumen in Leutwil 38 seiner ehemaligen reformierten Gemeindeglieder und feierte Abendmahl. Deshalb schloss ihn das Aargauische Ministerium aus. Damit war ihm die Ausübung des Pfarrerberufes verboten. Im September 1832 besuchte er auf Einladung von Christian Gerber und Christen Baumgartner die Alttäufer (= Mennoniten) in Langnau im Kanton Bern. Schließlich kamen 200-300 Personen zu Fröhlichs Predigten. Das Missionieren war den Alttäufern verboten, deshalb verwiesen ihn die Behörden aus dem Kanton Bern. Fröhlich schickte einen Vertreter, einen 21jährigen Schustergesellen, der Taufen mit Untertauchen verlangte. Wer nur durch Besprengen getauft war, sollte noch einmal getauft werden. Die Brüder im Jura wurden aufgeboten, um den Streit zu schlichten (David Baumgartner, Hans Zingg, Jakob Nussbaumer und Ulrich Lehmann), aber ohne Erfolg. Die Gemeinde spaltete sich in die Alt-Evangelisch Taufgesinnten (= Mennoniten) und die Neutäufer oder Fröhlichianer. Die Alttäufer bauten 1888 eine Kapelle im Kehr, die Neutäufer auf dem Giebel oberhalb von Langnau.
1833 war Fröhlich mehrere Monate in London, wurde dann Hauslehrer in der frommen Fabrikantenfamilie Brunschweiler in Hauptwil im Thurgau. Dort und in anderen Kantonen gründete er Hauskreise, die er trotz Verfolgung immer wieder besuchte, um zu predigen. 1836 heiratete er ohne behördliche Bewilligung Susette Brunschweiler. Er hatte drei Kinder mit ihr, von denen nur der Sohn überlebte, der ebenfalls eine Brunschweiler heiratete. Er wurde Fabrikant, Eigentümer der Baumwollweberei Fröhlich Brunschweiler & Cie. Schließlich gelang es Samuel Fröhlich in Strasbourg im Elsass, seine Ehe nach französichem Recht zu legalisieren. Aus der Schweiz verwiesen, lebte er von 1844 bis zu seinem Tod am 15. Januar 1857 in Strassbourg. In diesen Jahren missionierte er intensiv unter den süddeutschen Mennoniten und erhielt großen Zulauf aus den Kirchen. In der Zeit soll er um die 1200 Briefe geschrieben haben. Handwerksburschen trugen seine Botschaft nach Ungarn und weitere Länder im Balkan. Da die Neutäufer den Militärdienst ablehnten, waren viele gezwungen nach USA auszuwandern. So wuchsen die Gemeinden in USA. Die unterschiedlichen Kulturen führten zu Auseinandersetzungen, ob Männer einen Oberlippenbart tragen dürfen, wie in Ungarn üblich, oder keinen tragen dürfen wie in der Tradition der Schweizer und süddeutschen Mennoniten gepflegt, um sich vom Militär zu distanzieren. 1905 endete eine Brüderversammlung in Basel mit der Trennung in verträgliche und unverträgliche Gruppen. Aus den verträglichen Gruppen entstand die ökumenisch und missionarisch orientierte ETG. für die Unverträglichen galt und gilt: „Habt keine Gemeinschaft mit den Ungläubigen“.
Den Vortrag und weitere Informationen gibt es bei Werner Reichart <w.reichart@bluewin.ch>
Der nächste Termin am Montag, dem 06.01.2025Erzählabend mit Siegfried Claaßen und Arno Thimm:
Siegfried Claaßen, geboren 1932 in Eichwalde, Danzig, und Arno Thimm, geboren 1934 in Reimeswalde, Danzig, sind verwandt und in Nachbardörfern aufgewachsen und doch waren ihre Erlebnisse in der Nazizeit und ihre Flucht nach Dänemark verschieden.
Wie immer von 19:30 – 21 Uhr, Einwahl über